Eindrücke vom Markt der Anthroposophie 2011

 

 

Sonne, Stimmung, Anthroposophie
Aktionstag der Anthroposophischen Gesellschaft Berlin

In Anbetracht dessen, dass die Berliner Einwohnerzahl den vielen am selben Wochenende stattfindenden Großereignissen – Frauen-Fußball-WM, Christopher-Street-Day, Tag der offenen Terminal-Tür auf dem Flughafen Schönefeld, erstmalige Landung einer neuen Boeing in Tegel sowie der übliche Event-Kleinkram – kaum noch gewachsen war, konnten die Erfinder und Betreiber eines weiteren Festes sehr zufrieden sein mit ihrer Besucherfrequenz. Das war vorher keineswegs sicher …

Das Arbeitszentrum Berlin der Anthroposophischen Gesellschaft feiert den 150. Geburtstag Rudolf Steiners dieses ganze Jahr über auf vielfältige Weise, für jeden ist immer wieder etwas Passendes dabei. Finden kann man sämtliche Veranstaltungen in der eigens dafür herausgegebenen, mit Terminen stattlich gefüllten Broschüre (info3 berichtete, siehe Ausgabe 2/2011). Einer der mehreren Höhepunkte des Jubiläumsjahres 2011 sollte am Samstag, dem 25. Juni sein und wurde es tatsächlich auch: Anthroposophie erleben, der Tag der Anthroposophie – Materialisierung einer schon viele Monate lang fantasievoll, hartnäckig und akribisch vorbereiteten Idee, eine groß angelegte Neuheit, ein Wagnis.

 

Platziert am Kulturforum inmitten eines besonderen Ensembles, bestehend aus Scharouns organischen Bauwerken Philharmonie, Kammermusiksaal und Staatsbibliothek, Mies van der Rohes Neuer Nationalgalerie sowie Stülers Matthäuskirche, überraschte ein dort gänzlich ungewohntes buntes Marktgeschehen.

An ungefähr 90 Ständen und mit einem abwechslungsreichen Bühnenprogramm zeigte sich lebendige Anthroposophie in einzigartiger Vielfalt ihrer praktischen Anwendungen für Leib, Seele und Geist. Geboten wurde ein in dieser Form bisher noch nicht dargestellter Überblick über die in Berlin existierenden anthroposophischen Einrichtungen und Initiativen.

Aber auch von weither angereiste schwergewichtige Artgenossen hatten es sich nicht nehmen lassen, an diesem Tag und dieser Stelle präsent zu sein, es waren mit dabei Dr. Hauschka Kosmetik, Weleda, KunstRaumRhein aus Basel und last but not least der info3-Verlag aus Frankfurt. Er lud an einem Doppelstand mit eindrucksvollen Stapeln aktueller und älterer Ausgaben der Zeitschriften info3 und Wir, mit Büchern, Postkarten und Plakaten zum Blättern, Lesen, Denken, Reden und Kaufen ein. Keine Minute dieses langen Tages verstrich dort ohne intensive Begegnungen zwischen einigen Machern und Schreibern von info3 und interessierten Besuchern, die Bank in der Mitte zwischen den beiden Ständen war niemals leer.

 

Ringsherum wogte freundlich-entspanntes Leben, man flanierte, staunte, aß und trank, experimentierte und bastelte, las und lauschte, kaufte und bekam aber vor allem geschenkt nach allen Regeln der Kunst: anthroposophische Lebenskultur. Hinter dem Stand war vor dem Stand, hier verkehrte man barrierefrei miteinander, die aktiven Insider wechselten im wahren Sinne des Wortes ihre Standpunkte und damit Perspektiven nach Lust und Laune. Waldorfschüler, Demeter-Landwirte, anthroposophische Ärzte, Therapeuten und Banker, Künstler, Musiker, Bäcker und Buchhändler, Bewohner und Betreuer von Behinderteneinrichtungen und -werkstätten, Waldorfkindergärtnerinnen, Seniorenheimbewohner, Eltern, Kinder, Paare und Einzelgänger waren am Stand oder auf und vor der Bühne Aktionisten und Gäste zugleich. Aber auch neugierige Touristen und wissbegierige Berliner, „die keine Ahnung hatten“, zeigten: Ja, es gab sie dort ebenfalls, die Öffentlichkeit, und das Ganze war sicher überwiegend, aber nicht nur ein Fest für die Darsteller selbst.

Das windig bewegte frisch-heitere Wetter spiegelte so recht Atmosphäre und Geist dieser festlichen anthroposophischen Daseinsbekundung: Wind hier, Stille dort, Jacke an, Jacke aus, Sonnenbrille auf und ab, ernste Wolken, reines Himmelsblau, strahlendes Sonnengold, dunkle Schatten, helle Wege.

Ein Abschlusskonzert mit dem überaus professionellen Oberstufenorchester der Rudolf Steiner Schule krönte in der Matthäuskirche den Abend. Völlig erschöpft, aber mindestens ebenso zufrieden, war man sich dann in der sinkenden Sonne beim letzten Abbauen der Stände schon bewusst: Das war ein gelungener Tag, er hat Spaß gemacht und alle Sinne erfüllt. Er war der erste seiner Art – aber gewiss nicht der letzte!

Astrid Hellmundt
aus: info3, Ausgabe 9/2011

 

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Donnerwetter,
dass Anthroposophen so etwas stemmen können ...?!

Ein anerkennender Ausruf – so gehört am 25. Juni im Trubel des Aktionstages Anthroposophie erleben. Und Recht hatte die Besucherin, denn in heiterer Gelassenheit fügten sich zwischen Matthäuskirche und Philharmonie fast 80 Ausstellungsstände mit Informationen, Aktionen und Nahrhaftem rund um eine Bühne, auf der den ganzen Tag über vielfältigste Darbietungen zu bestaunen waren.

 

Vom Wind vormittags noch frisch an- und umgepustet (Staubiges konnte sich einfach nicht halten!), später von der Sonne verwöhnt und schließlich mit schaumweißen Wolkenbildern gekrönt, so realisierte sich die wochenlange bange Hoffnung der fleißigen Organisatoren in harmonischster Weise.

Unsere Fotoauswahl gibt wenigstens einen groben Eindruck der gehobenen Stimmung. Allerdings: Dabeisein war doch noch besser! Dann konnte man zum Beispiel einem etwa elfjährigen Jungen in die strahlenden Augen blicken, der vor der Bühne bedeutsam auf und ab tobte, derweil sich oben schon ein Schülerorchester sortierte. Auf seinem T-Shirt prangte der stolz zur Schau gestellte Schriftzug Parzival-Schule/Zehlendorf. „Da gehör ich hin, da komm ich her“, schien er allen immer wieder präsentieren zu wollen, dieser Junge, der landläufig wohl als ein wenig „behindert“ eingestuft werden würde … Da! Auf der Bühne ein Zögern, ein Suchen und Warten. Irgendetwas fehlt! Mit Aufforderungscharakter wird jetzt laut ein Name gerufen. Ein Zucken läuft durch den kleinen Kerl, ratz-fatz saust er mit tapsigen Sprüngen auf die Bühne und klemmt sich hinter sein Instrument. Ohne ihn, das weiß er ganz genau, gibt’s eben keinen Anfang!

 

Nur eine rührselige Geschichte? Nein, sie passte genau zu dem Motto der Veranstaltung, denn Anthroposophie wurde hier konkret. Sie schuf dem Kleinen – auf der Grundlage ihres Menschenbildes – spürbar eine Heimat, auf die er stolz sein konnte, in der er seinen Platz kannte, in der er einfach wichtig war.

Johann-Michael Fischer

 

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